Mein 132. Tag war der letzte auf dem PCT. Ich habe abgebrochen. Als wir an Tag 132 in Seattle ankamen wusste ich nicht, dass ich vorerst nicht wieder zurück auf den PCT gehen werde. Aber die Feuer beruhigten sich nicht und die Rauchsituation war niederschmetternd. Ich bekam Fotos von Freunden, die einige Tage vor uns waren, und man konnte vor lauter Rauch kaum gucken.
Also beschloss ich aufzuhören. Das Abenteuer PCT abzubrechen, zu verschieben, den ‚Pause Knopf‘ zu drücken. Ich war müde und kaputt. Und im ersten Moment fiel mir die Entscheidung nicht schwer. Zu sehr freute ich mich auf das Wiedersehen mit meiner Familie und Freunden. Sehnte mich nach Hamburg und meinem zu Hause zurück. Sofort buchte ich meinen Rückflug um und zählte die Tage. Zwei Tage verbrachte ich noch zusammen mit Rita und Glen (die ebenfalls aufhörten) bei dessen Freunden und später noch bei Ritas Nichte. Genoss das Familienleben und die Zivilisation. Und dann fing meine persönliche Zeit in Seattle an. Ich schlief in Hostels und erkundete die Stadt.
Von da an änderte sich meine Stimmung etwas. Ich vermisste den PCT unglaublich, die Bewegung fehlte mir. All die Menschenmassen überforderten mich und ich sehnte mich zurück nach der Natur. Den ersten Tag im Hostel verbrachte ich mich Schlafen und auch die darauffolgenden Tage schlief ich viel. Dann fand bei Ritas Nichte das Abschiedsessen statt. Wir trafen uns mit allen Freunden aus Seattle und Mary Ann und Phil fuhren extra eine längere Strecke um dabei sein zu können.
Ich sprach mit Rita über meinen Gefühlswirrwarr. Dass ich die Entscheidung nicht bereue abgebrochen zu haben. Doch dass ich den Trail vermisse und mich noch etwas verloren fühle. Ihr und Glen ging es genauso. Die ersten Tage ‚zurück‘ waren für uns alle anscheinend ähnlich. Das half.
Doch es gab auch tierisch viel Gutes in den ersten Tagen! Ich war shoppen. Wieder normale Kleidung zu tragen war super. Vor allem, da nun alles 1-2 Kleidergrößen kleiner ist. Nur die Schuhe, die muss ich nun eine Schuhgröße größer kaufen. Meine neuen Plattfüße nehmen mehr Platz ein als vor der Wanderung.
Im Drogeriemarkt statte ich mich dann so aus, als wolle ich ein Wellnesswochenende verbringen. Shampoo, Bodylotion, Haarkuren landeten in meinem Korb. Sowie Deo! Endlich wieder Deo! Ich konnte mich kaum entscheiden. Wonach will ich riechen? Rosen? Pfirsich? Egal, Hauptsache nicht mehr nach Schweiß und Staub. Rasierer durften natürlich auch nicht fehlen. und ja, ich rede vom Plural. Ganze 4 Einmalrasierer habe ich für meine Beine gebraucht. Danach waren sie annehmbar, aber spiegelglatt war trotzdem noch etwas anderes. Ich verbrachte eine volle Stunde im Bad und fühlte mich danach wie neu geboren.
Der ganze Dreck und Geruch auf dem Trail hat mich irgendwann nicht mehr gestört. Aber wieder sauber zu sein hat definitiv seine Vorteile. Doch wieder jeden Tag duschen zu können und saubere Wäsche anzuziehen war schon eine kleine Umstellung. Welch ein Luxus plötzlich wieder vorhanden war.
Allerdings stellte sich der Hunger als kleines Problem heraus. Mein Körper war es gewohnt tausende Kalorien täglich zu sich zu nehmen. Nun fiel zwar die körperliche Anstrengung weg, doch der Hunger blieb der Selbe. Also hörte ich bei jeder Mahlzeit auf zu essen wenn ich dachte „Okay, das war nun eine normale Portion“. Richtig satt war ich allerdings nicht und es hat eine gute Woche gedauert bis es etwas besser wurde und mein Magen sich nicht mehr selbst verdauen wollte.
Am 5. September flog ich dann wieder zurück nach Deutschland. Mit riesiger Vorfreude! Am Flughafen wurde ich von Freunden und meinem Partner empfangen und das Wochenende verbrachte ich direkt mit meiner Familie und Freunden. Alle wollten meine Geschichten hören, doch es war immer noch schwierig alles in Worte zu fassen.
Meine Wohnung kam mir am ersten Tag riesig vor und ich stand etwas verloren im Flur. Ich packte meinen Rucksack aus, sortierte meine Ausrüstung weg und startete wieder in den Alltag.
Nun bin ich seit einer guten Woche wieder zurück, zurück zu Hause.
Und es ist komisch. Immer noch. Ich habe diesen Blogeintrag lange vor mich hin geschoben. Wusste nicht wie ich in Worte fassen kann was ich fühle. Wollte nicht zu sentimental werden.
Ich kann sagen, dass ich den PCT vermisse. Jeden Tag. Was genau kann ich nicht sagen. Die Menschen, das ‚an die Grenzen gehen‘, die Natur, die Stille, die Bewegung, die Gespräche. Alles?! Ich glaube ‚Alles‘ trifft es am Besten. Als ich mich auf den PCT vorbereitet habe, haben viele ehemaligen Hiker gesagt ‚Man kann niemandem genau erklären was in einem vorgeht, wenn dein Gegenüber den PCT nicht gelaufen ist‘. Das kann ich nur bestätigen. Ich kann es selber kaum in Worte fassen was ich erlebt habe, wie soll ich es also anderen begreiflich machen?
Ich habe einige Hiker getroffen, die den PCT letztes Jahr abbrechen mussten und es nun dieses Jahr wieder versuchen. Die komplette Strecke. Und ich dachte immer nur Wieso?. Wieso nochmal alles laufen? Warum nicht einfach die Abschnitte laufen, die man letztes Jahr nicht geschafft hat? Ich habe es nicht begriffen. Und jetzt verstehe ich es. Jetzt, wo ich selber abgebrochen habe, Abschnitte übersprungen und ausgelassen habe. Jetzt verstehe ich, wieso man wieder alles laufen möchte. Und ich würde es genauso machen! Der PCT hat mich gepackt, fest gepackt und er lässt mich nicht mehr los. Noch ist alles frisch, ich muss meine Wunden lecken, Gefühle und Gedanken sortieren. Doch ich weiß, dass der PCT mich geprägt hat und ich zurückkehren werden. In welcher Form wird sich zeigen.
Eine PCT Hikerin hat geschrieben ‚Zu Hause ist dort, wo dein Herz ist‘. Und ein Stück meines Herzens ist auf dem PCT geblieben. Ein Stück von meinem zu Hause ist von nun an auf dem PCT.
Dieses wird vorerst mein letzter Blogeintrag sein. Ich habe ihn einfach herunter geschrieben und hoffe, dass er wenigstens etwas verständlich ist. In meinem Kopf herrscht zeitweise noch ein großes Chaos, doch ich wollte es nicht weiter hinauszögern. Es ist schwierig die richtigen Worte zu finden.
Und ich möchte mich noch einmal bei allen bedanken, die mitgelesen und kommentiert haben. Der ganze Zuspruch war Balsam für die Seele!
Mein PCT Abenteuer 2018 ist nun nach 3000km zu Ende.
Ich gratuliere. Du kannst Stolz auf dich sein.
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und auch ich musste deine Sätze erstmal sacken lassen.
Deine Worte haben mich sehr berührt……..Ich bin unendlich stolz auf dich meine Große….Toll,was du da geleistet hast, der Trail und die Erlebnisse werden immer in deinem Herzen sein……
Ich bin gespannt, was als nächstes kommt ……bin aber erstmal froh, dass du gesund und sehr bewegungsfreudig wieder in der Nähe bist.
Mama
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Respekt! 💪🏼
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